15 August 2017

Der fünfte FreuCon im Blick

Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«

Im Frühjahr 1985 hatte ich das Gefühl, im Fandom – also in der Science-Fiction-Szene – einen richtig guten Ruf zu haben. Zwar war ich im wirklichen Leben ein ganz gewöhnlicher Wehrpflichtiger, der als »Schütze« in einer Bundeswehrkaserne seinen Dienst verrichtete, in der Fan-Szene fand ich mich aber ziemlich wichtig. Meine Kurzgeschichten und Artikel wurden regelmäßig in Fan-Zeitschriften veröffentlicht, mein eigenes Fanzine »Sagittarius« genoss einen guten Ruf.

Zudem hatte ich bereits viermal einen Con veranstaltet, also eine Veranstaltung für Science-Fiction-Fans. Der Begriff »Con« leitete sich von »Convention« ab; übersetzte man das auf deutsch, meinte man also einen »Kongress«. Das war natürlich eine hochtrabende Bezeichnung für die üblichen Cons, an denen einige Dutzend Jugendliche und junge Erwachsene ein Wochenende lang in einem Jugendzentrum herumsaßen und über Science Fiction und artverwandte Themen sprachen.

Für den 14. April 1985 hatte ich wieder einen Con angesetzt, erneut im Jugendzentrum »Murgtäler Hof« in Freudenstadt. (Das Bild zeigt das JuZ in den 80er-Jahren.) Ich orientierte mich an den Namen bekannterer Fan-Veranstaltungen, die in Berlin eben »BärCon« oder in Stuttgart dann »StuCon« genannt wurden; in den USA hießen sie in Philadelphia logischerweise »PhilCon« und in Chicago »ChiCon«. Aus Freudenstadt wurde also »Freu«« – daraus entstand der Name »FreuCon«.

In dem Jugendzentrum ging ich seit den späten 70er-Jahren ein und aus, und seit 1981 organisierte ich dort einmal im Jahr die Science-Fiction-Treffen. Mir war bewusst, dass ich es nicht schaffen würde, einen »vernünftigen« Con auf die Beine zu stellen, ein Con mit Programm und Ehrengästen und einem geregelten Ablauf.

Zudem waren die Räumlichkeiten im Jugendzentrum begrenzt: Mehr als sechzig Besucher würden den Ablauf zu sehr durcheinander bringen – mir stand letztlich nur ein einziger Raum zur Verfügung, der zudem durch geplante Baustellen in den Nebenräumen eingeschränkt sein würde.

tl_files/comic/images/news/erinnerungen/JuZ_FDS.jpgMir war zu diesem Zeitpunkt einigermaßen klar, warum der FreuCon bei einer gewissen Klientel beliebt war: Es handelte sich um einen fannischen Con, wie man das damals nannte, einen Con also, bei dem die Kommunikation der Fans untereinander wichtig war. Nur deshalb reisten Besucher aus der halben Bundesrepublik in die Kleinstadt im Schwarzwald; ein mögliches Programm interessierte die wenigsten.

Also verfasste ich in diesem Frühjahr 1985 ein sogenanntes Egozine, eine Fan-Zeitschrift also, die ein Mensch allein machte, um seinem Ego zu genügen. Ich nannte es – nach der Eichelberg-Kaserne, in der ich meine Tage fristete – »Der Ge-Eichelte Bote«, was ich sehr witzig fand, und schrieb darin unter anderem über den geplanten Con.

»FreuCons sind eigentlich immer für die Leute interessant, die selbst kreativ sind, einen Hang zum Chaos verspüren und auch so gut drauf sind«, verkündete ich selbstbewusst. Ich hätte auch formulieren können, dass ich nur Leute wünschte, die in der Lage waren, sich mit sich selbst und anderen zu beschäftigen, und die kein Programm benötigten.

Ähnlich selbstbewusst formulierte ich weiter: »Vollidioten und Berts haben sich auf FreuCons im Regelfall nie wohlgefühlt, auch wenn sie zeitweise in großer Anzahl vorhanden waren.« Im Nachhinein betrachtet: So richtig klug war es sicher nicht, einen Teil der bisherigen Besucher auf diese Weise zu beschimpfen ...

»Allerdings gab's auch durchaus fähige Leute, die zu den FreuCons kamen und enttäuscht wieder von dannen zogen, weil sie sich einfach zu viel von der ganzen Veranstaltung versprochen haben«, ruderte ich gleich im nächsten Satz zurück. Ich wollte tatsächlich das potenzielle Publikum warnen: »Wer gern wissenschaftliche Vorträge hört oder sich mit Schriftstellern unterhält, ist natürlich auf einem FreuCon fehl am Platz.«

Weil ich nicht zu viele Besucher und weil ich nur bestimmte Leute ansprechen wollte, gab ich bekannt, dass man zum Con eingeladen werden musste. Ich verwies auf ein »Anforderungsformular« für eine Einladung, das man bei mir erhalten könne, wenn man nicht sowieso schon eine Einladung erhalten habe. Dass ich das Formular irgendwie ausarbeiten musste, war mir zu dem Zeitpunkt nicht klar, als ich »Der Ge-Eichelte Bote« schrieb und in der Kaserne vervielfältigte.

Immerhin machte ich mir schon Gedanken über den Ablauf der Veranstaltung. Weil ich dachte, für einen normalen Science-Fiction-Con weder die Zeit noch die Nerven zu haben, plante ich Programmpunkte, die sehr unüblich waren. Unter anderem wollte ich eine Führung durch den Wald anbieten, um den Besuchern zu zeigen – man schrieb 1985! –, »wie schlimm und ausgedehnt das Waldsterben wirklich ist!« Immerhin sei das Waldsterben »schon keine SF mehr«.

Darüber hinaus hatte ich vor, mit den Con-Besuchern einen Maler zu besuchen, der in Freudenstadt wohnte und arbeitete und dessen Bilder mit phantastischen Motiven spielten. Als weitere Programmpunkte betrachtete ich einen »Kurz-Spontan-Dungeon«, der »in der Nacht gegen zwei Uhr« beginnen solle – gemeint war offenbar ein Rollenspiel –, sowie einen »Freak-Special-Program-Punkt, kurz FSPP«, was immer ich auch damit meinte.

Um es vorwegzunehmen: Von all diesen geplanten Dingen wurde nichts umgesetzt. Ich hatte kein glückliches Händchen, was die Organisation von Veranstaltungen anging, vor allem, weil ich immer dachte, alles allein machen zu müssen. Aber immerhin bekam ich es in der Kaserne hin, etwas vorzubereiten und damit etwas zu tun, das über das dröge Einerlei des Feierabend-Saufens hinausging ...

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