19 Oktober 2016

Ein grauer Tag in Köln – Teil eins

Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«

Es war ein grauer Tag im September 2004: Aus einem diesigen Wolkenhimmel fiel immer wieder feiner Nieselregen, und ein unangenehmer Wind pfiff zwischen den Bäumen und Grabsteinen auf dem Kölner Westfriedhof hindurch. Mit raschem Schritt eilte ich auf die Halle zu, in der in wenigen Minuten die Verabschiedung des Verstorbenen beginnen sollte. Mein offener Mantel wehte im Wind, die schwarze Krawatte flatterte seitlich aus der Anzugsjacke, und ich hatte das Gefühl, zu spät zu kommen.

Thomas ZieglerVerdammter Taxifahrer!, dachte ich die ganze Zeit, während ich auf die drei Männer zuhielt, die auf der einen Seite des Eingangs standen, eindeutig räumlich getrennt von der Gruppe der anderen Trauernden. Der Fahrer hatte den Eingang zum »richtigen« Friedhof nicht gefunden, hatte mich zuerst zum Jüdischen Friedhof gebracht, der direkt um die Ecke war, bevor er das Gelände angesteuert hatte, das ich ihm genannt hatte. Das alles hatte sehr viel Zeit gekostet.

Es war ein seltsamer Anlass für einen Besuch in Köln. Das letzte Mal, als ich in der Stadt am Rhein gewesen war, hatte eine herrliche Wintersonne auf die Straßen und Plätze heruntergestrahlt. Ich hatte mich mit dem Schriftsteller und Übersetzer Rainer Zubeil getroffen, um mit ihm eine intensivere Zusammenarbeit zu besprechen.

Er hatte in den 80er-Jahren unter seinem Pseudonym Thomas Ziegler einige wesentliche Beiträge für die PERRY RHODAN-Serie geschrieben und wollte jetzt wieder fest »bei uns« einsteigen. Seine ersten Beiträge in der »neuen Zeit« fand ich hervorragend, und ich hatte das Gefühl, dass wir in den kommenden Jahren sehr gut zusammenarbeiten würden. Mein Empfinden war, dass wir eine gemeinsame Basis hatten, die man für viele Projekte nutzen könnte.

Und jetzt war ich wieder in Köln, um genau diesen Menschen zu verabschieden. Nur wenige Monate lagen zwischen diesen zwei Begegnungen, und vielleicht war es die Kürze dieser Zeit, die mir diesen Tod als besonders erschütternd erscheinen ließ. Jahre- und jahrzehntelang hatten sich die Kontakte zwischen dem Autor und der Redaktion auf das Allernötigste beschränkt, und nun hatte sich eine positive Zukunft angebahnt.

Ich drückte den drei Männern nacheinander die Hand; für uns alle war dies nicht die Begegnung, die wir uns gewünscht hatten. Alle drei Männer wiesen graue Gesichter auf, und mir war klar, dass ich ebenso grau aus meinem dunklen Anzug schaute.

Der erste war Uwe Anton, der Mann, mit dem Rainer Zubeil vor gut dreißig Jahren zusammen an Science-Fiction-Fanzines mitgearbeitet hatte, der Mann, der zusammen mit ihm die ersten Romane geschrieben und publiziert hatte – seit Jahren war Uwe Anton einer der Autoren, die für PERRY RHODAN schrieben.

Der zweite war Horst Pukallus, ein Alters- und Zeitgenosse Uwes und Rainers; zusammen mit Rainer hatte er vor einem Vierteljahrhundert bei der hervorragenden SF-Serie »Die Terranauten« mitgearbeitet, zusammen mit Rainer und Uwe hatte er politische Kurzgeschichten für verschiedene Verlage und politische Artikel für die »Science Fiction-Times« geschrieben, zusammen mit Rainer hatte er in den Jahren zuvor viele »Star Trek«-Romane übersetzt.

Zuletzt Achim Mehnert, ein Altersgenosse von mir, deutlich jünger als Rainer, Uwe und Horst, aber ein Kölner Schriftsteller, der seit einigen Jahren für Science-Fiction-Serien anderer Verlage schrieb, aber auch schon zwei Romane in den von mir betreuten Reihen veröffentlicht hatte. Er gehörte mittlerweile zu meinen ältesten Bekannten.

So stand ich mit den drei Männern da, überlegte kurz, was ich tun sollte. Uwe Anton verwies mich auf die Lebensgefährtin des Verstorbenen, ich trat hinüber zur Gruppe der anderen Trauernden, wahrscheinlich die Familie und die Freunde. Ich drückte der Lebensgefährtin und der schwer erschüttert wirkenden Mutter mein Beileid aus und wechselte einige wenige Worte mit ihnen.

Im Vorfeld hatten die Lebensgefährtin und ich ein paar Mal kommuniziert. Ich sollte keine offizielle »Grabrede« halten, für diese war Michael Görden vorgesehen. Michael Görden, ein erfahrener Verlagsredakteur, Übersetzer und Herausgeber, hatte den Verstorbenen ebenfalls seit Jahrzehnten gekannt, er hatte mit ihm in den 80er-Jahren zusammengearbeitet. Für eine Rede war er sicher besser geeignet als ich, und deshalb hatte ich mich nicht im Geringsten vorbereitet.

»Michael ist noch nicht da«, erzählte mir die Lebensgefährtin. »Es gab Verzögerungen mit seinem Flug von Berlin nach Köln, und jetzt steckt er im Stau.« Ob ich nicht doch einige Worte sagen wolle? Ich überlegte kurz, nickte dann aber; zwei oder drei Sätze würde ich schaffen, vor allem dann, wenn vor mir ein Prediger oder ein Trauerredner sprechen würde.

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