26 Februar 2015

Eine Struktur für viele Zyklen

Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«

Es war ein vergleichsweise schöner Samstag. Die Sonne schien, es ging ein lauer Wind. Mit Robert Feldhoff spazierte ich durch die kleine Stadt Wolfenbüttel, die wir an diesem Wochenende beide zum ersten Mal besuchten. An der Bundesakademie für kulturelle Bildung waren wir erstmals als Dozenten tätig und sollten Autorinnen und Autoren in die Geheimnisse der Science-Fiction-Schriftstellerei einweihen.

Nach dem Mittagessen hatten Robert und ich gut eineinhalb Stunden Zeit. Nach dem Spaziergang ließen wir uns in einem Straßen-Café nieder, bestellten Kaffee und unterhielten uns. Wobei die erste halbe Stunde wohl eher darin bestand, dass ich versuchte, den aktuellen Sachstand im Verlag zusammenzufassen. Nicht nur in meinem Augen herrschte in der Verlagsunion Pabel-Moewig eine Krisenstimmung vor.

»Es kann sein, dass wir im Verlauf des Jahres rausgeworfen werden«, erzählte ich. Es gab eine neue Führungsriege, und im Zuge massiver Umstrukturierung waren schon viele Stellen abgebaut worden. Man wollte den Buchverlag »verschlanken«, man wollte die Heftromanserien »einkürzen«, und es hielten sich seit Monaten die Gerüchte, dass die PERRY RHODAN-Serie außerhalb des Verlages zum Verkauf angeboten würde.

Robert hörte sich das alles an, unterbrach mich nur selten und wartete eigentlich nur darauf, bis ich mit dem Klagen und Jammern fertig war. Dann schaute er mich mit diesem kühlen Blick an, den ich damals schon schätzte und den ich im Verlauf der nächsten Jahre noch mehr schätzen sollte. Es sei zwar alles richtig, was ich sagte, und er verstünde mich, aber ...

»Ich als Autor kann daran nichts ändern«, meinte er trocken. Und noch während ich darüber nachdachte, dass er damit eigentlich komplett recht hatte, kam er mit seinem eigenen Anliegen. »Lass uns doch darüber reden, wie wir aus der inhaltlichen Krise bei PERRY RHODAN herauskommen.«

Er musste mich nicht daran erinnern, wie schwierig die vergangenen Jahre verlaufen waren. Seit ich 1992 als Redakteur eingestellt worden war, hatten unsere Planungen oft den Charakter eines »Stocherns im Dunkeln« gehabt. Das war sehr spontan gewesen, und spontane Ideen hatten die Serie oftmals bereichert, aber wir hatten immer wieder gespürt, wie knapp wir vor einem Scheitern gestanden waren. »Und das ist doch so, seit ich dabei bin«, argumentierte er.

Wie wäre es denn, so seine Überlegung, wenn man alles anders machen würde? »Wir gehen strukturell an die Sache heran«, schlug er vor. »An Ideen mangelt es den Autoren nicht, es mangelt an Struktur.« Er begann damit, ein Konzept zu skizzieren, mit dem man – so seine Gedanken – bis Band 2000 eine spannende Handlung schaffen könnte.

»Wir stellen einen großen Handlungsbogen her, ein überstrahlendes Thema«, sagte er. »Und in dieses Thema hängen wir gewissermaßen die kurzen Zyklen ein. Die sind dann in sich abgeschlossen, sie hängen aber alle mit dem Thema zusammen – und dann können wir viele Ideen spinnen, die wir einfügen.«

Es klang völlig überzeugend. Robert Feldhoff und ich waren fast gleichalt, wir beide hatten die PERRY RHODAN-Romane zwischen 700 und 999 geliebt, wir schwärmten für die Geschichten von der Aphilie bis hin zu den Kosmischen Burgen. »Stell dir vor, wir schaffen es, einen großen Zyklus zu schaffen, der auch einige hundert Bände umspannt«, schwärmte er – und genau das konnte ich mir sehr gut vorstellen.

Nur: Welches inhaltliche Konzept sollte dahinter stecken? Ein Thema benötigten wir ja schon. In der von uns geliebten Handlungsepoche war es schließlich darum gegangen, dass Perry Rhodan und Co. immer weiter ins Universum vorstießen und immer mehr über die kosmischen Hintergründe erfuhren: über Superintelligenzen und Materiequellen, über Kosmokraten und Chaotarchen.

Eine echtes Konzept für mehrere Dutzend oder gar hundert Bände hatte Robert noch nicht, dazu war die Zeit zu früh. Aber er dachte in die richtige Richtung. »Stell dir ein Bündnis von mehreren Galaxien vor, vielleicht gerade sechs Stück, sie alle unter der Kontrolle von einer Superintelligenz. Und die Menschen werden das sechste Mitglied in diesem Bündnis. Sie müssen sich in diesem Bündnis behaupten – und natürlich gibt es Anfeindungen und Probleme, allerlei Schwierigkeiten, die unsere Helden beseitigen müssen.«

Wir berauschten uns beide an der Idee. Robert entwickelte seinen Gedankengang bei einem Kaffee, ich gab weitere Vorschläge dazu, und er kritzelte immer mehr Notizen auf einen Block. Wir hatten noch keinen konkreten Begriff, wir dachten weder an »Thoregon«, noch wussten wir, wie wir seine Idee mit dem Zeitrafferfeld um den Mars einbauen konnten – aber es elektrisierte uns, dass wir eine gemeinsame Vision entwickelten.

Ich war mir vor allem sicher, dass Ernst Vlcek als Exposéautor bereitwillig mitmachen würde. Wenn er eine Struktur hatte, in der er seine Phantasie spielen lassen konnte, trug das sicher dazu bei, dass er noch mehr phantastische Ideen entwickelte.

Ob wir es allerdings schaffen würden, unseren Chefredakteur zu überzeugen, wusste ich nicht. Mir war bekannt, dass Dr. Florian F. Marzin für den geplanten Zyklus nach Band 1800 eine ganz anderes Konzept favorisierte. Er mochte seine eigene Planung eines »Cortez-Zyklus«, so der Arbeitstitel – würde er Roberts Idee überhaupt ernstnehmen?

An diesem Punkt kamen wir nicht weiter. Wir mussten zurück in das Gästehaus der Bundesakademie. Dort warteten die Autorinnen und Autoren sowie Dr. Hartmut Kasper auf uns; wir mussten wieder an die Arbeit gehen, für die wir an diesem Wochenende in Wolfenbüttel waren. Aber ich sah Robert Feldhoff an, dass ihm die grundsätzliche neue Idee keine weitere Ruhe mehr lassen sollte ...

1 Kommentar:

Jonas hat gesagt…

Damals wurde also das Schema F(eldhoff) der Perry-Rhodan-Serie geboren.