11 April 2014

Ein erstes E-Book-Konzept

Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«:

Nachdem wir über zwei Jahre lang die ersten Erfahrungen mit E-Books gesammelt hatten, stellte Frank Borsch im Oktober 2002 die vorhandenen Fakten zusammen und präsentierte eine Strategie für die Zukunft. Das interne Arbeitspapier diente uns in den folgenden Jahren als Grundlage für alle weiteren Überlegungen in Sachen E-Books.

Ein wichtiger Grund für uns, ein seriöses Angebot für E-Books aufzubauen, war die Flut von teilweise mies eingescannten Raubkopien, die seit einiger Zeit die Tauschbörsen überfluteten. Wer wollte, konnte sich bei einschlägigen Internet-Seiten, die oft über russische Server liefen, sehr viele eingescannte Bücher besorgen; darunter war selbstverständlich schon PERRY RHODAN.

Aber bis wir so weit waren, ein vernünftiges Angebot bereitzustellen, mussten einige Grundlagen erarbeitet werden. Die Strategie, die wir uns ausgedacht hatten, war einfach: Wir wollten unsere Internet-Seite verstärkt in eine sogenannte Shopseite umbauen, so dass die potenziellen Kunden direkt auf www.perry-rhodan.net ihre E-Books kaufen konnten. Nur war noch nicht klar, wie sich die Kunden registrieren sollten und wie – vor allem! – dann eine Bezahlung ablaufen sollte.

Dass die PERRY RHODAN-Redaktion nicht selbst die komplette Abwicklung inklusive der Rechnungsstellung übernehmen konnte, lag auf der Hand. Aber da sich niemand innerhalb des Verlages mit solchen Themen beschäftigte, mussten wir notgedrungerweise viele Dinge selbst ausprobieren.

Wir sprachen in dieser Zeit mit Anbietern von Zahlungssystemen; unsere Partner von der Agentur Trilobit dachten über ein verstärktes Registrierungssystem auf unserer Internet-Seite nach. Aber so genau wusste niemand, wohin sich alles entwickeln würde: Nach dem Zusammenbruch der ersten Internet-Blase, der im Herbst 2002 gerade einmal ein Jahr her war, herrschte große Verunsicherung bei den Menschen, die sich kommerziell mit dem Internet beschäftigten.

Nach wie vor wollten wir allerdings nicht den Umsatz der gedruckten Heftromane gefährden. Das stand auch in Franks Konzept: »Grundsätzlich bieten wir nur Inhalte an, die nicht oder nicht mit denselben Eigenschaften wie die E-Book-Version gedruckt erhältlich sind.« Eine Kannibalisierung der Print-Produkte sollte so vermieden werden, zudem wurden die E-Books aufgewertet.

Oberste Priorität erhielt die sechste Auflage: eine »mit Retro-Touch versehene Ausgabe der Heftserie ab der Nummer eins – wie von Lesern immer wieder nachgefragt.« Schön wäre dabei, so die Überlegung, ein Abo-System: »Jede Woche gibt es ein neues Heft, die erschienen kann man einzeln nachkaufen, aber günstiger ist das Abo.«

An die ATLAN-Serie wurde ebenso gedacht wie an exklusive Stoffe, »beispielsweise Kurzgeschichten von RHODAN-Autoren« oder darüber hinaus gehende Inhalte, die wir redaktionell aufbereiten müssten. Wer sich besonders stark für PERRY RHODAN interessierte, könnte zusätzliche Inhalte kostenpflichtig über unsere Internet-Seite herunterladen – was dazu führen würde, dass diese endlich kein »Minusgeschäft« mehr für den Verlag war.

Es stellte sich noch die Frage nach den Formaten; Ende 2002 waren ein Kindle oder ein iPhone absolute Zukunftsvision. »In die engere Wahl kommen die Formate der Firmen Palm und Adobe«, argumentierte Frank Borsch. Das Adobe-Format war vor allem für jene Leser interessant, die ihre E-Books ausdrucken und »auf Papier« lesen wollten, während das Palm-Format in erster Linie jene Leser ansprach, die ihren Roman am Bildschirm konsumieren würden. Frank Borsch schlug vor, beide Formate parallel anzugehen.

Immerhin gingen wir zu diesem Zeitpunkt noch davon aus, dass unser stärkerer Einstieg in das E-Book-Geschäft »organisatorisch wie technisch problemlos« umzusetzen sei. Wir würden aber alles selbst steuern: Wir würden die Daten konvertieren lassen, wir würden sie über unsere Internet-Seite zur Verfügung stellen, und die Kunden würden direkt beim Verlag ihre E-Books kaufen. Es sah einfach und logisch zugleich aus ...

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