17 April 2014

Ein Appell in Sachen E-Books

Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«:

Dass es immer mehr Möglichkeiten gab, PERRY RHODAN-Romane illegal im Netz zu beziehen, machte uns zu Beginn der Nuller-Jahre immer öfter zu schaffen. Während die Musikindustrie, die unter ähnlichen Problemen litt, mithilfe knallharter Rechtsanwälte versuchte, die sogenannten Piraten zu bekämpfen, überlegten wir intensiv, was wir anders machen könnten.

Vor allem Miriam Hofheinz, die sich als Marketingassistentin stark mit den E-Books beschäftigte, und Frank Borsch als Redakteur machten sich Gedanken, was möglich und sinnvoll war. »Wir dürfen auf gar keinen Fall anfangen, mit der Rechtsanwaltskeule um uns zu schlagen«, warnte Frank Borsch. »Das geht nach hinten los. Vor allem machen die meisten Leute, die jetzt die Romane herunterladen, das doch nur, weil sie keine Möglichkeit haben, an vergriffene PERRY RHODAN-Bände heranzukommen.«

Ich ließ mich von den beiden Kollegen überzeugen: Wir würden gegen Leute, die sich einzelne Romane auf irgendwelchen »Tauschbörsen« besorgten, nicht gerichtlich vorgehen. Aber wir nahmen sehr wohl die Hilfe unserer Rechtsanwälte in Anspruch, um gegen besonders dreiste Verletzungen des Urheberrechtes vorzugehen.

Im Sommer 2003 verschickten die Anwälte die ersten zwei Abmahnungen, jeweils gekoppelt mit Unterlassungserklärungen; weitere wurden vorbereitet. Der Grund waren Angebote beim Internet-Auktionshaus ebay. Allen Ernstes wurde hier »Perry Rhodan eBook Heft 1 bis 2190 auf CD« angepriesen; man konnte also für kleines Geld unsere Romane ersteigern. Die Qualität war allerdings mies, es handelte sich um teilweise erschütternd schlechte Scans von Romanheften unterschiedlicher Auflagen.

Verunsicherte Leser riefen uns an, sie schickten Mails, auch die Autoren und einige Erben waren von den Angeboten irritiert. Gab der Verlag etwa so eine CD-ROM heraus, war das vielleicht eine Methode, die PERRY RHODAN-Romane erneut zu verkaufen?

Frank Borsch verfasste einen Rundbrief an die Fans, den wir auch im Internet veröffentlichten: »Was bei ebay angeboten wurde, sind Raubkopien«, stellte er darin klar. »Nichts anderes als Diebstahl – in einem Ausmaß, bei dem einem beinahe schwindlig werden kann. Auf dieser CD ist nicht weniger als das Lebenswerk eines Clark Darlton, Karl-Herbert Scheer oder William Voltz und vieler anderer Autoren zu finden.«

In seinem Schreiben griff Frank zu klaren Vergleichen: »Verscherbelt für ein paar Euro. Perry Rhodans Flug zum Mond. Das Treffen mit den Arkoniden. Der Vorstoß nach Andromeda. Die Odyssee der SOL. Die Endlose Armada. Thoregon. Welten der Phantasie ohne Zahl. Das Ergebnis von über vierzig Jahren harter Arbeit.«

Er machte darüber hinaus klar, dass die Autoren und ihre Erben keinen Cent von diesem Geld erhalten würden. Dabei seien sie auf das Honorar aus Nachdrucken angewiesen. »Autoren sind Freiberufler«, rief Frank Borsch den Lesern in Erinnerung. »Die Honorare aus Nachdrucken, aus Sonderausgaben und Neuauflagen sind ein wichtiger Teil ihrer Altersvorsorge. Und die wird ihnen auf diese Weise gestohlen.«

Das war der erste Schritt unserer Informationsoffensive. Der zweite war, dass wir einen offenen Brief der PERRY RHODAN-Autoren initiierten, der 2003 in zahlreiche Tauschbörsen eingestellt wurde, unterschrieben von allen damaligen Teamautoren. Franks Initiative war auch diesmal, die Benutzer der Tauschbörsen aktiv anzugehen, sie ernstzunehmen und nicht als Gegner zu begreifen.

»Du hast diesen Brief von einer Internet-Tauschbörse herunter geladen«, begann das Schreiben. »Das beweist uns, dass dir PERRY RHODAN am Herzen liegt – und wir hoffen so sehr, dass du dir die Zeit nimmst, unser Anliegen zu lesen.«

Es gehe den Autoren in ihrem Schreiben darum, dass die Serie »auch noch in vielen Jahren« existiere und »weiterhin Leser mit PERRY RHODAN die Reise zu den Sternen antreten«. Doch ohne die »Wurzeln in der realen Welt« könne die Serie nicht existieren.

Das Schreiben sprach Klartext: »Wir wissen seit geraumer Zeit, dass es ein Projekt von Unbekannten gibt, alle Titel des Perryversums einzuscannen. In dieser Tauschbörse kursieren, wie in allen übrigen Börsen, eine Unzahl von gescannten PERRY RHODAN- und ATLAN-Heften und Büchern. Hinzu kommen gerippte Audio-CDs und CD-ROM-Images.«

Damit auch jeder verstand, was unser Rechtsstandpunkt war, blieb das Schreiben bei klaren Worten: »Diese Kopien sind gestohlen. Die Autoren haben ihrer Herstellung und Verbreitung nicht zugestimmt, für keine von ihnen haben sie nur einen einzigen Cent erhalten.«

Der Diebstahl betreffe nicht nur die aktiven Autoren. Die Gründerväter Clark Darlton und Karl-Herbert Scheer oder William Voltz, der Visionär der Serie – oder ihre Erben – würden ebenfalls bestohlen. »Das illegale Herunterladen von PERRY RHODAN-Büchern und Produkten aus Tauschbörsen schmälert ihr Auskommen – und wird es in steigendem Maße in der Zukunft tun.«

In dem Schreiben ging es auch um die nahe Zukunft; wir boten zu dieser Zeit bereits »eine große Auswahl von PERRY RHODAN-Titeln als legale E-Books« an, an deren Erlösen die Autoren und Erben beteiligt waren. Das Ziel war, weitere E-Books zu produzieren. Doch »wie sollen sie Käufer finden, wenn sie mit illegalen Kopien konkurrieren müssen, die bestenfalls ein schlechtes Gewissen kosten?«

Das Schreiben unserer Autoren, das sich an das gute Gewissen der Tauschbörsennutzer richtete, hatte einigen Erfolg: In Foren wurde darüber diskutiert, auch bei den Tauschbörsen selbst, sogar die Presse berichtete darüber.

Ob danach die Zahl der illegalen Downloads zurückging, konnten wir selbst nicht herausfinden – danach war für uns aber eine weitere Strategie klar: Wir wollten möglich schnell alle PERRY RHODAN-Romane als E-Books zur Verfügung stellen, zu einem vernünftigen Preis und in einer möglichst hervorragenden Qualität.

»Irgendwann wird es die ganze PERRY RHODAN-Serie digital geben«, gab ich als Ziel aus. Im Jahr 2003 wurde man dafür noch belächelt ...

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