09 April 2014

Chancen für E-Books

Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«

Nach der Frankfurter Buchmesse im Jahr 2002 war es wieder einmal Zeit, eine Zwischenbilanz zu ziehen. In unseren internen Gesprächen beschäftigten wir uns immer häufiger mit dem Thema »digitale Bücher«, wie E-Books damals häufig genannt wurden. Dabei waren die Meinungen in der PERRY RHODAN-Redaktion durchaus gespalten.

Während ich mir nicht vorstellen konnte, dass sich dieses »elektronische Lesen« so schnell durchsetzen würde, waren vor allem Miriam Hofheinz vom Marketing und Frank Borsch als Redakteur der Auffassung, wir sollten auf das neue Medium setzen. »Auch wenn es kein riesiges Geschäft sein wird«, so argumentierte Frank Borsch immer wieder, »so ist es doch die Zukunft.«

Ich war skeptisch: »Einen Roman am Computer lesen, das kann ich mir einfach nicht vorstellen.« Ich stellte mir vor, dass es einmal Mobiltelefone geben würde, aus denen man gewissermaßen einen Bildschirm ausklappen konnte – dann hätte man eine »vernünftige Größe«, mit der man besser lesen könnte.

Frank war anderer Ansicht: »Das wird sich alles schneller ändern, als wir uns das bislang ausmalen können.« Im Oktober 2002 erarbeitete er ein Konzept für PERRY RHODAN, das die Chancen für eine starke E-Book-Produktion auflistete. Dabei war die Ausgangslage für den Redakteur und Autor wichtig: Er dachte stets vom Leser her.

»Das Lesen am Schirm wird derzeit nur von einer kleinen, aber wachsenden Gruppe von Lesern angenommen«, konstatierte er. »Dazu trägt eine sich ständig verbessernde Display-Technologie ebenso bei wie eine sprunghafte Zunahme der Verbreitung von Handheld-Computern.«

Die technik-orientierte Leserschaft sei dafür geeignet, sich das neue Medium anzueignen; die Leser seien »neuen Technologien überaus aufgeschlossen«. Allerdings liege dieses Potenzial noch weitestgehend brach. Ein Grund dafür: Unsere bisherigen Versuche, PERRY RHODAN bei Dienstleistern zu platzieren, waren kaum bekannt geworden – die Partner hatten sich als nicht stark genug erwiesen.

»Die sind einfach schlecht präsentiert«, erläuterte mir Frank. Er hatte recht, wie ich aus eigenen Versuchen selbst wusste. Wer sich im Internet bewegte und nach PERRY RHODAN-E-Books suchte, landete sehr schnell bei illegalen Plattformen mit teilweise sehr schlechten Scans und fand die Angebote der legalen Anbieter nur nach einiger Mühe. Das war nicht sinnvoll, das schreckte manch ehrlichen Kunden sogar ab.

Frank sah die Zukunft auf der eigenen Internet-Seite: Mit www.perry-rhodan.net hätten wir doch »ein hervorragendes Instrument an der Hand«, in direkten Kontakt mit den Lesern zu treten und ihnen ein vernünftiges Angebot für E-Books zu machen. Unabhängig davon sollte der Zugang zu PERRY RHODAN so einfach wie möglich sein.

»Es gibt zahllose Studien, die belegen, dass die Mehrzahl der Kaufvorgänge im Internet vor dem Abschluss abgebrochen wird«, argumentierte er. Zudem sei die Konkurrenz der illegalen Plattformen nur einen Mausklick entfernt. Wer sich bei einer solchen Plattform anmeldete – und sei es nur bei Plattformen, die auf irgendwelchen Servern im Ausland betreut wurden –, hatte innerhalb weniger Minuten sein »Material«, wenngleich in mieser Qualität.

»Wir müssen unser Angebot dort zu Verfügung stellen, wo unsere Leser es erwarten«, sagte Frank in mancher Besprechung. »Sie suchen es bei PERRY RHODAN, also müssen wir es bei www.perry-rhodan.net zur Verfügung stellen. Wer sich für PERRY RHODAN interessiert, sucht die Seite sowieso irgendwann auf.«

In seinem Konzept verwies er darüber hinaus auf die Preise: Diese sollten »deutlich unter denen der Print-Produkte liegen«. Unsicher waren wir allerdings, welche Produkte wir anbieten sollten: Würden preiswerte E-Books nicht dazu führen, dass die Leser irgendwann keine gedruckten Romane mehr kauften? Die Gefahr sahen wir alle, die Druckauflage sollte stabil bleiben. Franks Alternative: »Eine Kannibalisierung der Print-Produkte wird dadurch verhindert, dass wir nur Produkte anbieten, die nicht mehr lieferbar sind.«

Darüber hinaus schlug er vor, Romane oder Geschichten anzubieten, »die man sonst gar nicht kaufen oder nicht in dieser Form kaufen kann«. Ausgangspunkt für alles sei aber, dass wir die Internet-Seite attraktiver gestalteten. Immerhin verfügten wir »bereits über eine ideale Plattform für den Verkauf von E-Books«.

Voraussetzung dafür, dass dies so bleibe, sei aber die »Präsentation von attraktiven kostenlosen Inhalten«. Nur dann seien die Leser bereit, regelmäßig unsere Internet-Seite zu besuchen. Es ging stets darum, einen Mehrwert für die Leser zu schaffen, eine Möglichkeit für sie, die »digitalen Romane« leicht zu erstehen.

Frank Borschs Arbeitspapier war ein Schritt in die richtige Richtung. Es schuf die Basis für viele weitere Überlegungen in Sachen E-Books, wenngleich die Entwicklung im Verlauf der kommenden Jahre ganz anders verlaufen sollte.

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