02 Dezember 2013

Am Morgen des Vierzigsten

Es nieselte an jenem frühen Morgen. Als ich meine Wohnung in der Karlsruher Innenstadt verließ, blickte ich sorgenvoll zum Himmel hinauf. Alles war grau: Dicke Wolken zogen über den Himmel, und der feine kühle Regen fiel ununterbrochen auf die Stadt herunter.

Ich hoffte, dass das Wetter in Rastatt ein wenig besser sein würde – obwohl die Entfernung zwischen meinem Wohnort und meinem Arbeitsplatz gerade mal zwei Dutzend Kilometer betrug. Aber manchmal reichte das aus, dass die eine Stadt trocken blieb, während die andere buchstäblich absoff.

Immerhin hatten wir an diesem Tag viel vor, und daran dachte ich, während ich mein Auto durch die Innenstadt und auf die Autobahn lotste. Es war der Samstag, 8. September 2001, und wir wollten den vierzigsten Geburtstag der PERRY RHODAN-Serie feiern. Das Verlagsgebäude in Rastatt sollte sich zum Tag der offenen Tür öffnen ... aber niemand wusste, wie viele Besucher kommen würden, und ich hatte Angst, in einer leeren Halle zu stehen.

Die Angst hatte mich schon am Morgen so in ihren Klauen gehabt, dass ich am liebsten daheim geblieben wäre. »Ich bleib‘ einfach liegen«, murmelte ich, ließ es dann aber aus purem Pflichtbewusstsein bleiben. Eine PERRY RHODAN-Veranstaltung, bei der ich als Chefredakteur nicht völlig unwichtig war, konnte ich nicht einfach ausfallen lassen.

Aber während ich die Autobahn gen Süden befuhr, überlegte ich nicht nur einmal, ob das alles klappen würde. Der Wind beutelte die Bäume entlang der Autobahn, die Temperatur fiel weiter. Hatten wir für den Notfall genügend Heizöfen und Heizluftgeräte, oder kamen wir auch ohne sie aus? Ich schüttelte den Kopf. Es würde schon nicht so schlimm kommen, dachte ich.

Auf halber Strecke hörte ich den Wetterbericht: Böige Winde und Dauerregen wurden gemeldet, in der Südpfalz sei immerhin zwischendurch die Sonne zu sehen. Das gab mir sogar die Hoffnung, es könne vielleicht auch im mittelbadischen Raum rings um Rastatt und Karlsruhe zu einem wenngleich kurzfristigen Sonnenschein kommen.

Als ich im Verlag ankam, hellte das Wetter tatsächlich auf. Klaus Bollhöfener, der die Veranstaltung federführend organisierte, hatte bereits alles unter Kontrolle. Mitarbeiter des Verlags stellten Informationstische zusammen, der Hausmeister sorgte noch einmal dafür, dass die Versandhalle sauber gefegt war. Die Mitarbeiter der Firma Klippstein, die sich um die Versorgung kümmerten, bauten Biertische und Bierbänke auf, stellten ein Bier-Pavillon hin und sorgten dafür, dass alles so aussah, als ob ein großes Fest anstünde.

Bei einer kurzen Besprechung in meinem Büro konnte ich meiner Sorge kaum Herr werden. »Was ist denn, wenn niemand kommt?«, sagte ich. »Wenn das Kackwetter die Leute alle daheim bleiben lässt?«

Klaus Bollhöfener beruhigte mich. »Da kommen genug Leute, mach dir keine Sorgen.« Wir hatten im PERRY RHODAN-Umfeld für starke Werbung gesorgt, um Fans nach Rastatt einzuladen. Es sollte zum vierzigsten Geburtstag der Serie – keine zwei Jahre nach dem großen PERRY RHODAN-WeltCon in Mainz – keinen großen Con geben, sondern einen »Tag der offenen Tür« für die Freunde der größten Science-Fiction-Serie.

Darüber hinaus hatten wir bewusst Verlagsangehörige zu einem gemütlichen Beisammensein eingeladen und in der Innenstadt von Rastatt plakatiert: Dort war an diesem Wochenende ein großes Stadtfest, zu dem Zehntausende von Besuchern erwartet wurden. Einige von denen, so war unser Kalkül, würde sich doch gern zu einem Fest in den Verlag am Stadtrand verführen lassen.

Vorbereitet hatten wir viel. Während die Kollegen aus Redaktion und Marketing ununterbrochen geackert hatten, waren mein Diavortrag und die Versteigerung erst am Mittwoch und Donnerstag fertig geworden.

Am Ende der Besprechung drückte mir Klaus eine Zange, eine Rolle Draht und einige Schilder in die Hand. »Du hast gesagt, du hättest anfangs nichts zu tun«, sagte er und grinste. »Du hast dann gesagt, dass ...«

Ich erinnerte mich gut daran, was ich versprochen hatte. Unter dem Grinsen der Kolleginnen und Kollegen stapfe ich hinaus in den erneuten Nieselregen. Damit die Besucher von außerhalb sich nicht im Gelände verirrten, hatte unsere Agentur Parkplatzschilder vorbereitet, die ich an Ampeln, Verkehrsschildern und relevanten Abzweigungen anbrachte. So sollten die Besucher auf den richtigen Parkplatz geleitet werden, von wo aus sie es nur noch hundert Meter bis zum Verlagshof hatten.

Es ging gut, auch deshalb, weil mich Torsten, ein Fan aus Rastatt, unterstützte. Noch während wir die Schilder aufhängten, rollten die ersten Fans an. Ich kam nicht mal dazu, alles anzubringen: Ständig wurde ich gefragt, wo denn der Verlag sein, und ein Auto nach dem anderen bog in Richtung Verlag ab. (Dass die Schilder innerhalb kürzester Zeit von Souvenirsammlern entfernt wurden, bekam ich erst später mit.)

Nass und nervös zugleich kam ich zurück. »Was machen wir denn, wenn zu viele Leute kommen?«, fragte ich Klaus, der bemerkenswert ruhig war. »Wo bringen wir die unter, wenn die Halle voll ist und alle Sitzgelegenheiten belegt sind?«

»Keine Sorge«, beruhigte er mich erneut und lachte. »So viele werden es nicht sein.«

Das Fest sollte um zehn Uhr morgens beginnen. Die ersten Fans waren bereits um 8.30 Uhr eingetroffen, hatten uns aber erst einmal in Ruhe gelassen und hielten sich in Lokalen in der Umgebung auf. Der »McDonald’s« auf der anderen Straßenseite erwirtschaftete an diesem Tag wohl einen Riesenumsatz mit PERRY RHODAN-Fans.

Ich trank erst einmal einen Kaffee und zog mir eine trockene Jacke über. Zehn Uhr näherte sich, und ich war immer noch nervös ...

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