03 Mai 2012

Torr Samaho, die SOL und ein Megadom

Aus der Serie »Der Redakteur erinnert sich«

Eines war allen Mitgliedern des PERRY RHODAN-Teams zu Beginn des Jahres 1999 klar: Es kamen große Herausforderungen auf uns zu. Die Leser erwarteten einen Abschluss des laufenden Zyklus mit vielen Höhepunkten, und wir mussten die »Pflöcke« einschlagen, die wir benötigten, um einen neuen Zyklus nach Band 2000 zu starten. Zum Jahresende stand zudem der PERRY RHODAN-WeltCon ins Haus, auf den wir uns alle schon sehr freuten.

Aber davor kam die Arbeit. Aus diesem Grund reisten Robert Feldhoff und Ernst Vlcek nach Karlsruhe, um sich mit mir zu einer Exposé-Besprechung zu treffen. Beide Autoren brachten Ideenpapiere mit, ich selbst bereitete mich entsprechend vor.

Warum wir solche Besprechungen in Karlsruhe abhielten und nicht in Rastatt, wo der Verlagssitz war, hatte einen einfachen Grund: Ich selbst wohnte zu dieser Zeit in Karlsruhe, und die Stadt war für die Reisenden besser zu erreichen als Rastatt. Wenn wir uns in Rastatt im Verlag trafen, gab es zudem immer wieder Gelegenheiten, mich aus einer Besprechung herauszuholen. Das war der Konzentration aller Beteiligten nicht eben förderlich, wie wir wussten.

Also entschieden wir uns für Karlsruhe und wählten alle Lokalitäten entsprechend aus: Die beiden Autoren wurden in einem Gästehaus einquartiert, das zudem - welch ein Zufall! - in derselben Straße lag wie meine damalige Wohnung.

Wir gingen an diesem Sonntagabend, 7. Februar 1999, in aller Gemütsruhe essen; dabei besprachen wir unter anderem, welche Romane bislang gut gelaufen waren und welche uns selbst nicht so gut gefallen hatten. Der Thoregon-Gesamtkomplex lief zu dieser Zeit schon einige Jahre. Die meisten Leser schienen die Geschichte insgesamt zu mögen, aber es gab dennoch viel Detailkritik, die einzelne Handlungsebenen und Romane betraf.

Den Abend ließen wir in der »Katakombe« ausklingen, zu jener Zeit mein bevorzugter Wochenend-Aufenthaltsort in der Stadt. Die am Sonntagabend hier auflaufende »Gothic«-Szene schien auf das Ideenpotential einen guten Einfluss gehabt zu haben: Gerade zum Abschluss des laufenden Thoregon-Zyklus entstanden hier einige interessante Ideen.

Beispielsweise kamen wir auf die Idee, den mysteriösen Torr Samaho, den Diener der Materie, als Musikliebhaber aufzubauen. Zitat aus meinem internen Protokoll: »Er sammelt seit Millionen Jahren Musik aus dem ganzen Universum; seine größte Angst ist, dass jemand seine Musiksammlung vernichtet. Unter anderem hat er ein Stasis-Orchester, das aus den fähigsten Musikern aller Zeiten und Welten besteht: Die dürfen nur dann aus der Stasis aufwachen, wenn er Musik dirigieren will. Dann dürfen sie zu seinen Gunsten spielen. Wenn MATERIA vernichtet wird, spielen sie dazu ihr letztes Konzert ...«

Robert Feldhoff, der später auch als Autor mit dieser Figur arbeiten sollte, legte darüber hinaus fest: »Er ist keine Superintelligenz, aber ein hochrangiger Handlanger der Kosmokraten, vergleichbar mit Carfesch.« Robert erfand »eine spezielle Art dieser Handlanger, die den Status der Mächtigen haben, aber nicht mit diesen identisch sind«. Zu dem Zeitpunkt planten wir noch, Torr Samaho für »die nächsten Jahre« in der Handlung zu behalten.

Er sollte keinen Zellaktivator tragen, aber unsterblich sein. »Ein riesengroßer Zyklop; er hat eine Art Anzug der Vernichtung an: ein Geflecht, das ihm zusätzliche Gaben verleiht«, schrieb ich in meinem Protokoll. Während dieser Punkt recht ausführlich war, wurden weitere Einzelheiten sehr undeutlich notiert: »Er muss aber auch so sehr große Geistesgaben haben«; darunter kann man sich nach all den Jahren alles mögliche vorstellen ...

Es wurde ein langer Abend. Die Musik war laut, und das Bier schmeckte gut; zudem konnte man damals in Kneipen noch rauchen, was vor allem Ernst Vlcek sehr genoss. Einige Zeit nach Mitternacht lieferte ich die beiden Autoren vor ihrem Hotel ab, bevor ich den letzten Kilometer zu Fuß nach Hause bummelte.

Am Montagmorgen, 8. Februar, traf ich mich mit den beiden im Frühstückssaal des Hotels. Sie hatten bereits gefrühstückt, und wir waren die einzigen Menschen, die sich dort aufhielten. Das Personal ließ uns zudem in Ruhe ...

Zwischen dem geplünderten Frühstücks-Buffet und inmitten eines leeren Saales überlegten wir uns, wie wir die laufende Handlung in der Galaxis Chearth zum Ende führen sollten. Die Menschen von Camelot sollten entscheidende Hilfsmittel erfinden, die helfen sollten, die Invasion der Algioten abzuwehren. In unserer Besprechung blieben wir bei diesem Thema aber sehr schwammig; viele Details dieser Handlungsebene wurden erst später am Telefon und in Ideenpapieren per Fax festgelegt.

Ein weiteres Thema war die SOL. Wir definierten, dass das Generationenraumschiff in die Galaxis DaGlausch kommen sollte. Dort müsste es in den Kessel eindringen, »eventuell in einem Verbund mit den Virtuellen Schiffen«. Die Überraschung wurde bereits definiert: »Dort erhebt sich ein riesengroßer Pilzdom, ein sogenannter Megadom.«

In Band 1999 sollte die SOL durch den Megadom fliegen. Perry Rhodan wollten wir aber bewusst zurücklassen. ES würde ihm sagen: »Du musst bei der Menschheit bleiben.« Die Besatzung der SOL sollte darüber hinaus eine Aufgabe von den Helioten erhalten, über die wir zu diesem Zeitpunkt noch so gut wie gar nichts wussten: »Rettet das Volk X, das ist identisch mit der Geburt von ES.«

Damit legten wir - ohne die Details an diesem Montagmorgen zu wissen - die Grundlagen für die Geschehnisse im folgenden Zyklus. Richtig spannend wurde es aber erst im Verlauf des Tages, als wir uns den Band 2000 und die Folgen genauer anschauten ...

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