24 August 2010

Ein Besucher aus Wien

Ein Logbuch der Redaktion

Den heutigen Science-Fiction-Lesern dürfte der Name Axel Melhardt nicht mehr so viel sagen – in den frühen 60er Jahren gehörte er zu den führenden Vertretern dieser damals noch jungen Literaturrichtung im deutschsprachigen Raum. Er war mit den PERRY RHODAN-Gründungsautoren bestens vertraut, schrieb herausragende Kurzgeschichten und veröffentlichte Zeitschriften, in denen damals junge Autoren ihre ersten literarischen Gehversuche unternehmen konnten.

Letzte Woche besuchte er mein Büro in Rastatt – nach all den Jahren wurde das Zeit. Mit seiner Ehefrau durchreiste er Süd- und Westdeutschland, besuchte historische Städte und interessante Örtlichkeiten unterschiedlichster Art. Und da passte ein Besuch beim Pabel-Moewig Verlag gut ins Konzept. Immerhin ist Axel Melhardt mit dem Verlag auf direkte oder indirekte Weise seit langer Zeit verbunden.

Er übergab mir einige Kisten mit Fanzines aus den 60er Jahren, alle in bestem Zustand und hervorragend eingepackt. Darunter waren echte Schätze, die heute nur noch die Experten kennen: Selbstverständlich gehörten viele Ausgaben des Fanzines »Andromeda« dazu – das hatte Walter Ernsting bereits 1955 ins Leben gerufen, als erstes regelmäßig erscheinendes Fanzine im deutschsprachigen Raum.

Aber auch andere Fanzines übergab mir der Besucher: Ausgaben von »Stellaris« zählten dazu, wo William Voltz seine ersten Texte veröffentlichte, ebenso »Magira« und »Follow«, die ersten Fantasy-Fanzines überhaupt. In den 60er Jahren hatte Axel Melhardt selbst das Fanzine »Pioneer« publiziert, das später einem Jungautor namens Ernst Vlcek erste Chancen bot – auch davon erhielt ich einige Ausgaben.

Ich war völlig begeistert! Es waren sogar fannische Rundschreiben aus der Frühzeit der PERRY RHODAN-Serie erhalten geblieben.

Ein Teil dieser Hefte wird wohl in der PERRY RHODAN-Ausstellung auf dem WeltCon im nächsten Jahr zu sehen sein, einen großen Teil packe ich in meine wachsende Fanzine-Sammlung. Dubletten wandern an das Archiv der Jugendkulturen in Berlin oder werden über die PERRY RHODAN-Homepage versteigert.

Abends gingen wir in ein Lokal in Rastatt, wo wir bei »gutbürgerlicher Küche« stundenlang miteinander redeten. Wir unterhielten uns über die gar nicht immer guten, aber alten Zeiten. Immerhin hatten Walter Ernsting, der spätere PERRY RHODAN-Autor, und Axel Melhardt nicht nur »gute Zeiten« miteinander verbracht, sondern sich auch manches Mal gestritten und »gefetzt«.

Ähnliches gilt für Karl-Herbert Scheer: Axel erzählte Geschichten über den Autor, dessen Romane in den fünfziger Jahren den Weg für PERRY RHODAN bahnten, die ich noch gar nicht kannte.

Nicht zu vergessen Ernst Vlcek, mit dem ich bereits in den frühen 90er Jahren durch Wien geschlendert war. Ernst gehörte zu jenen Fans, die durch Axel Melhardt geprägt worden waren. Über ihn wusste mein Besucher ebenso schöne Anekdoten.

Axel hatte sich in den 60er Jahren irgendwann nicht mehr nur für Science Fiction, sondern auch für Jazz interessiert. Und das beeinflusste sein Leben so sehr, dass er die SF-Szene hinter sich ließ und sich lieber auf den Jazz konzentrierte. Er organisierte in der Wiener Szene zahlreiche Konzerte, die ab dem Jahr 1972 in einem Lokal veranstaltet wurden. Aus diesem machte Axel im Lauf der Jahre das »Jazzland«, das er nach wie vor betreibt.

Das »Jazzland« ist heute einer der wichtigsten Veranstaltungsorte für diese Musikrichtung – nicht nur in Österreich, sondern auch darüber hinaus. Im Lauf der letzten dreißig Jahre hat buchstäblich jede Jazzgröße dort aufgespielt, und das Lokal wird überall empfohlen. (Obwohl ich selbst kein Jazzer bin, fühlte ich mich stets sehr wohl, wenn ich mich im »Jazzland« aufhielt.)

So hatten wir bei diesem Besuch viel zu lachen, viel zu reden und viel in Erinnerungen zu wühlen. Ich find's immer wieder spannend, wie sich PERRY RHODAN und andere kulturelle Themen vermengen – in diesem Fall in der Person von Axel Melhardt. Ich freue mich schon auf die nächste Begegnung!

Keine Kommentare: